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Schönheitskuren für betagte Zwillingsschwestern
Diese Bauwerke sind baugleich, uralt und bergen Geheimnisse – und Thomas Loder hat sie der DB Welt verraten. Der Ingenieur leitet die Sanierung der gut 175 Jahre alten Eisenbahnbrücken in Ebermergen, einem Ortsteil von Harburg in Schwaben. Welche Spuren fast zwei Jahrhunderte hinterlassen haben.
Die beiden alten Damen an der Strecke zwischen Nördlingen und Donauwörth sind durchaus eigen. Thomas Loder von DB InfraGO kennt ihre Besonderheiten: „Zum Beispiel sind die Widerlagerkammern hinter dem Mauerwerk hohl. Sie wurden nicht verfüllt, wie man es bei konventionellen Stahlbetonbrücken tun würde.“ In den Hohlräumen stehen sogar noch Gerüste, die die Arbeiter vor 175 Jahren hinterlassen haben. „Damals wurden die Räume einfach zugemauert“, sagt der 32-Jährige. Niemand habe sie seitdem betreten. Bei der Untersuchung der Brücken wurde eine Kamera durch eine kleine Öffnung geführt – die machte Bilder von den Gerüsten in den Hohlräumen. Die Kammern bleiben auch künftig verschlossen, denn nichts soll das äußere Erscheinungsbild der alten Damen beeinträchtigen, so will es der Denkmalschutz.
Versteckte Spitzbögen
Die zweite Eigenheit der Zwillingsschwestern: Neben den eindrucksvollen Gewölben über den Straßen verbergen sie im Innern – im rechten Winkel zur den Rundgewölben – Spitzbögen, wie man sie aus Kirchen kennt. „Für die Statik wären an diesen Stellen keine Spitzbögen nötig gewesen. Vielleicht hatte die Baufirma einfach Erfahrungen damit, möglicherweise aus dem Kirchenbau“, vermutet Loder. Die Architektur-Geschichte stützt seine These: Mitte des 19. Jahrhunderts blühte die Neugotik, ein historistischer Kunst- und Architekturstil, der das Mittelalter und den gotischen Baustil mit den typischen Spitzbögen idealisierte.
Der Zahn der Zeit nagt am Mauerwerk
Wie dem auch sei: Die Brücken wurden zwischen 1846 und 1848 gebaut, als Teil der Ludwig-Süd-Nord-Bahn von Lindau über Augsburg, Nürnberg und Bamberg nach Hof. Der Abschnitt Donauwörth–Nördlingen–Öttingen (Bayern) ging im Mai 1849 in Betrieb. Seit 1972 ist der Abschnitt elektrifiziert. Die Bauwerke sind 44 Meter lang und 9,32 Meter breit. Die Straßendurchfahrt ist 8,15 Meter breit und 5,80 Meter hoch. Jetzt werden die Zwillingsschwestern saniert. Am 8. Juli geht es los. Derzeit werden die Baustellen eingerichtet und die viermonatigen Arbeiten vorbereitet.
Stein für Stein abgeklopft und gescannt
In fast zwei Jahrhunderten haben Sonne, Feuchtigkeit und Frost dem Mauerwerk zugesetzt – es ist an etlichen Stellen brüchig und verwittert. Nun wird es gereinigt, Pflanzen werden entfernt und die Fugen instand gesetzt. Experten haben das Mauerwerk Stein für Stein abgeklopft und gescannt. So wissen sie genau, welcher Stein in welchem Zustand ist, welcher beschädigt oder hohl ist. Wo es nötig ist, werden Steine ersetzt. Aufgrund der Anforderungen an die Zug- und Druckfestigkeit und auch farblich eignet sich dafür ein Kalkstein aus dem fränkischen Treuchtlingen am besten.
Knifflige Angelegenheit
Während das Mauerwerk saniert wird, machen sich die Arbeiter oben an die Fahrbahnplatte. Noch liegt in Teilbereichen eine Stahlbetonplatte mit einem aufgesetzten Eisengeländer und einer Entwässerung. Die passen nicht ins historische Bild. Deshalb wird die Absturzsicherung durch eine Brüstung samt Verblendung ersetzt, die dem alten Gesims nachgebildet ist. Knifflig wird die Arbeit durch die darunter liegenden Spitzbögen. Der Zwischenraum zwischen Spitzbogen und Fahrbahnplatte ist verfüllt. „Wenn wir die Füllung einfach wegnehmen, könnte der Spitzbogen ‚aufatmen‘, das heißt, die Spannung könnte sich verringern und der Bogen sich bewegen.“ Die Statiker sagen zwar, dass es so nicht kommen wird. Aber um ganz sicher zu gehen, können die Spitzbögen mit Ankern gesichert und die Belastung mit Gurten simuliert werden, bis der Raum oberhalb der Bögen wieder verfüllt ist und die neue Fahrbahnplatte aufliegt.
Und natürlich ist noch viel mehr zu beachten, wenn Eisenbahnbrücken saniert werden. Weil der Fahrdraht der Oberleitung für die Arbeiten abgebaut werden, muss eine Ersatzversorgungsleitung in Kabeltrögen verlegt werden. „So stellen wir die Spannung und den durchgehenden Stromfluss auf der restlichen Strecke sicher“, sagt Loder. Außerdem gibt es auf den Oberleitungsmasten noch einen Lichtwellenleiter der Polizeidirektion Nördlingen, der nicht angerührt werden darf. Das ist bei Arbeiten mit dem Kran zu berücksichtigen. Auch der Umweltschutz ist zu beachten: Ein Reptilienschutzzaun wurde aufgestellt und die Eidechsen abgesammelt. Damit die sich auf dem sanierten Bauwerk in Zukunft wohl fühlen, wird zwischen Absturzsicherung und Gleisbereich ein schmaler Grünstreifen angesät.
„Das macht die Arbeit spannend“
Gerade diese Vielseitigkeit bei Brücken-Erneuerungen begeistert Loder: „Viele Fachgewerke müssen betrachtet werden – Oberleitungen, Gleisbau, Leit- und Sicherungstechnik, Telekommunikation und mehr –, mit vielen Experten ist zu kommunizieren. Das macht die Arbeit spannend.“ Loder ist auch Ansprechpartner für die Öffentlichkeit. Schon im vergangenen Jahr hat er in Harburg das Vorhaben samt Streckensperrung und Schienenersatzverkehr vom 8. Juli bis 14. November vorgestellt.
(DAW)